Regie: Anja Schöne
Ausstattung: Anja Schöne, Andreas Kunz
Musikalische Leitung: Jana Reiß, Basil Weiss
Mit: Anne Simmering (Mephista), Basil Weiss (Klavier, Schlaginstrumente), Andreas Kunz (Faust), Jana Reiß (Gretchen, Erdgeist), Felix Zimmermann (Schüler, Geist u.a.)
Fotos: Ina Jabss
Anja Schöne und Jana Reiß bringen Goethes “Faust“ mit Musik auf die Bühne
In der – lassen wir das blaue Zelt einmal außen vor – Hochburg der Musical-Ignoranz erscheint zumindest in der freien Szene ein Hoffnungsschimmer am Horizont: Nach der Integration von Songs in Frank Wedekinds „Frühlings Erwachen“ im letzten Jahr gehen Regisseurin Anja Schöne und Songwriterin Jana Reiß nun einen Schritt weiter und vertonen den „Faust“.
Wer hätte das gedacht? Goethes Texte wirken in der Vertonung von Jana Reiß wie für ein Musical geschrieben. Mehr noch: Die Songs transportieren die Geschichte kongenial weiter, lassen die Poesie Goethes neu erfahren: „Liebt dich – nicht“, das berührende Duett von Gretchen und Faust hat Ohrwurm-Qualitäten. Und Anja Schönes kluge Text-Kürzungen ergeben keinesfalls eine leicht konsumierbare Readers-Digest-Fassung, sondern eine auf den Punkt gebrachte frische Interpretation des altbekannten Dramas, ohne sich dem Zeitgeist anzudienen.
Den einzigen Text, der nicht aus Goethes Feder stammt, deklamieren zwei Flöte und Trommel spielende Bänkelsänger, die mit Shakespeare'scher Sprachgewalt und Schlitzohrigkeit das Publikum ins Theater leiten. Der eine (Basil Weiss) klemmt sich anschließend hinters Klavier, der andere (Felix Zimmermann) reiht sich als Clown ins Zirkus-Setting auf der Bühne ein. Dort haben auf Podesten schon Gretchen (Jana Reiß), Mephista (Anne Simmering) und Faust (Andreas Kunz) Position bezogen –und das teuflische Spiel um ewige Jugend, Verführung, Liebe, Tod und Wahnsinn nimmt seinen Lauf.
Wobei alle, bis auf Mephista und Faust, in verschiedene Rollen schlüpfen. Angeführt von der wunderbare diabolisch-lüstern aufspielenden Anne Simmering liefert das Ensemble eine fulminante Leistung ab - schauspielerisch und gesanglich! All das unplugged und in einer von Anja Schöne perfekt inszenierten Bewegungs-Choreographie, die ihre Protagonisten mit ausdrucksstarker Körpersprache füllen.
Mit seinem Charisma, seiner unaufgeregten Text-Interpretation trifft Andreas Kunz genau den Nerv des Publikums, Jana Reiß betört mit ihrem Liebreiz und ihrem feinen Gesang, während Basil Weis und Felix Zimmermann mit Clownerien immer wieder für Lacher im eigentlich todernsten Spielsorgen. Und der frenetische Schlussapplaus zeigt, dass man dem Theater ein schon verlorengeglaubtes (junges) Publikum zurückgewonnen hat.