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Eine Art Liebeserklärung

Anne Simmering
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SOLO-STÜCKE
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EINE ART LIEBESERKLÄRUNG

von Neil LaBute

Theater Konstanz

Premiere 18. Oktober 2018

mit Anne Simmering als Faye

BESETZUNG

Regie: Oliver Vorwerk

Ausstattung: Christine Bertels

Dramaturgie: Miriam Fehlker

Fotos: Ilja Mess


KRITIK

Wie viel wiegt eine Lüge

"Vom Glück des Stolperns" lautet das aktuelle Spielzeitmotto in Konstanz. Intendant Christoph Nix und sein Team lenken den Blick selbstbewusst auf das künstlerische Potenzial jeglichen Scheiterns. Der gewählte thematische Fokus ist klug gewählt: Nur die Kunst, vornehmlich das Theater, leuchtet Fallhöhe strahlend aus.

Neil LaBute ist ein Meister, wenn es um die dramatische Gestaltung abrupter Wendungen geht. Sein Monolog Eine Art Liebeserklärung verbindet zwei bei ihm häufige Themen, die der Lüge und der Sexualität. Faye, verheiratete Lehrerin, hat ihren Mann betrogen und einen ihrer Schüler verführt. Regisseur Oliver Vorwerk widersteht der Versuchung, diesen Monolog auf voyeuristische Weise zum Publikum hin zu öffnen. Anne Simmering in der Rolle Fayes hat die anspruchsvolle Aufgabe, den Text fast durchgängig intim zu sprechen. Führt sie ein Selbstgespräch? Spielt sich die Narration ausschließlich in ihrem Kopf ab? Die Inszenierung beginnt als Stillleben: Religiöse Symbole, Kelch und Kreuz, sind, per Kamera abgefilmt, auf einer gerahmten Projektionsfläche zu sehen. Fayes Bericht ihrer Lebenslüge gewinnt so Züge einer Beichte. Die Konstanzer Inszenierung nimmt das Paradox ernst, dass Fayes Lüge in ihrer Ungeheuerlichkeit unerzählbar bleibt - sie sich aber dennoch ihre Geschichte von der Seele redet. Simmering meistert diesen Balanceakt grandios.

Anfangs ist sie im Korsett eines Schlangenkostüms gefangen und wirkt verhärmt. Sie verkörpert den Stolz der erfahrenen, gerade deshalb strapazierten Lehrerin. Auslöser ihrer Lebensbeichte ist die Erinnerung an die Schülerfrage „Wieviel wiegt eine Lüge?" Fayes Entsetzen, darauf keine Antwortgeben zu können, rahmt ihren Monolog ein. Da ist ihre Ehe mit Eric, ökonomisch abgesichert und nach außen hin glücklich. Wenn sich Faye an ihren Schüler Tommy erinnert, der in ihrem Büro Examenshilfe suchte, häutet sie sich im wortwörtlichen Sinne. Sie legt ihr Schlangenkostüm ab, verjüngt sich im roten Kleid, öffnet die Haare und darf Freiheit verkörpern. Der Seitensprung wird lesbar als sexuelle Erfüllung, als Selbstfindung - als ein anarchisches Glück, das Faye in ihrer Ehe nicht zuteil war.

Spätestens mit dieser Wandlung gelingt Anne Simmering das Kunststück, die Zuschauer auf ihre Seite zuziehen. Vorwerk vertraut der Kraft des Schauspiels. Das kann er auch: Simmering gibt Faye so überzeugend, dass der erzählte Verrat am Ehemann Eric wie ein Moment größter Authentizität erscheint. Als Zuschauer vertraut man ihr genau in dem Moment. in dem sie Vertrauen bricht. Faye evoziert den Seitensprung ohne jede Reue, befreit sich aus der engen Komfortzone eines jägerumzäunten Stuhls auf der Bühne. Sie gewinnt Raum, spricht rhythmisch und musikalisch, liefert sich der Situation hemmungslos aus und damit auch allen Folgen. LaButes Monolog spielt mit Klischees. Blieb Fayes Ehe mit Eric, einem Schwarzen, kinderlos, so wird die Affäre dieses Defizit beheben.

Im Spagat zwischen der Freiheit ihres Seitensprungs und der Sicherheit ihrer Ehe vermag Faye ihr Gewissen zu beruhigen. Sie hilft Tommy über die Hürde des Examens und kauft sich frei, finanziert ihm ein Stipendium und so den gesellschaftlichen Aufstieg. Das ist besonders pikant, da Tommy schwarz ist und Faye weiß. Was Faye als gute Tat beschreibt, kaschiert die Fassade ihres egoistischen Doppellebens. Fayes Unterstützung für Tommy symbolisiert zudem das vorhandene Machtgefälle. Temporeich und nüchtern lässt Faye ihre berechnenden Handlungen während und nach der Affäre Revue passieren. Ja, das äußerliche Glück der Ehe, es wird durch das Kind gestärkt. Und doch entgeht Faye dem Abgrund ihrer Lüge nicht. Wenn Tommy ihr noch einmal begegnet und ihr seine rückhaltlose Liebe gesteht, weiß Faye, was sie geopfert hat - Erfüllung. Die eben noch leidenschaftliche Frau muss sich eingestehen, was sie unwiederbringlich verpasst hat. Fayes Lüge hat ihren Preis. In der Nüchternheit dieser Erkenntnis gewinnt Anne Simmering tragische Größe.

Bodo Blitz, Theater der Zeit, Heft 12, Dezember 2018

St. Galler Tagblatt Online

Und während die ausdrucksstarke Anne Simmering als Faye die in Soul geborgene Trauer noch selbst intoniert, ist diese Stimme nach einer Stunde mit der Anleihe bei der liebend mordenden Salome versiegt, die große Oper kommt als kurzer, schmerzlicher Stich aus dem Off. Mit «Eine Art Liebeserklärung» hat Neil LaBute ein weiteres Mal die tausend Schattierungen thematisiert, die sich in zwischenmenschlichen Beziehungen zeigen – vor allem auch in der Liebe, die gleichzeitig schützt und schutzlos macht.
Anne Simmering füllt den Abend mühelos. Sie findet die Nuancen, um in der Schwebe zu halten, welches Urteil man fällen soll über dieses Leben und auch das der anderen (…)

Brigitte Elsner-Heller, 21.10.18

Südkurier

Wie grundlegend Regisseur Oliver Vorwerk diese Figur angelegt hat, mag daran abzulesen sein, dass er am Ende Richard Strauss‘ Salome erklingen lässt, eine der abgrundtiefsten weiblichen Rollen überhaupt. Und es passt. Neil LaButes Shortplay mit dem Titel Eine Art Liebeserklärung häutet sich in dieser Inszenierung, bis das pure Fleisch zu sehen ist. … Auch um diese Salome in den Griff zu bekommen, das ungebändigte Wesen, das kurzzeitig zum Vorschein kommt, bevor Scham und Schuldgefühl es wieder zudecken. In der Werkstatt gibt ihm Anne Simmering eine beachtliche Tiefenschärfe.

Maria Schorpp, 23.10.18

Seemoz

(...) Anne Simmering zeigt ihre Figur so facettenreich, von hysterisch kreischend, über sentimental summend bis hin zu Tränen der Ergriffenheit, dass dieser Monolog alles andere als langatmig erscheint. Sie singt ihr „If ever I would leave you“ wie Nancy Wilson und zeigt eine tiefe Zerrissenheit zwischen Rationalität und Leidenschaft und dabei ist sie umwerfend! Ein starker, mutiger und gelungener Auftakt als neues Ensemblemitglied.
Sie nimmt ihr Publikum mit in ihren Plüschgarten, den sie sich baut, um von ihren Arten des Liebens zu berichten. Dieser ist Refugium im dunklen Raum, ein Käfig, ein Zufluchtsort (Bühne: Christine Bertl) und somit eine wunderbare Metapher.

Unter der Regie von Oliver Vorwerk wird das Schauspiel kombiniert mit einer Kamera, die auf der Leinwand Elemente des Dargestellten doppelt. Dies lässt sich als die verbildlichte Selbstspiegelung, die Beobachtung der Gesellschaft oder die Reflexionsebene deuten. Zudem spricht eine Stimme aus dem Off (Lorenz Leander Haas) Unterbrechungen ein, die sie stocken lassen. Auch hier stellt sich in dieser ganzen zur Schau gestellten inneren Weiblichkeit immer wieder die Frage nach der Stimme von außen, die mahnend, fordernd oder unterbrechend auf das weibliche Subjekt und dessen emotionale Entwicklung einwirkt.

Wie viel wiegt nun eine Lüge? Es ist individuell, sagt Faye. Doch man merkt es: In ihrem Fall ist sie zentnerschwer.

Veronika Fischer (www.fronelle.de), 24. Oktober 2020

Anne Simmering
Eine Art Liebeserklärung

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