am Klavier: Markus Höller
Regie: Egon Baumgarten
Musikalische Leitung: Markus Höller
Ausstattung: Franziska Smolarek
Dramaturgie: Ruth Schröfel
Regieassistenz und Abendspielleitung: Alexander Katt
Technik: Felix Porth
Fotos: Eugen Sommer
Sie spricht mehrere Rollen parallel: Anne Simmering überzeugt bei der Premiere der Geierwally mit ihrer Sprache und Vielseitigkeit.
Sie spricht sie alle. Alle Dialoge. Alle Stimmen. Und sie macht das sehr gut. Anne Simmering spielt in„Die Geierwally“ nicht nur die Geierwally, sondern auch derenV ater, den Großbauern Strominger, den Landwirt Vinzenz, die Tante Luckard, den Bärenjosef und den Weggefährten, den Geier Hanserl.
Teils ist es wie das alte Kinderspiel „So tu’n als ob“: Wir tun jetzt mal so, als ob... in diesem Rollstuhl auf der Bühne Wallys alter Vater sitzt. Wir tun jetzt mal so, als ob... diese Haushaltsleiter ein Alpengipfel ist. Wir tun jetzt mal so, als ob... diese Gummipuppe Afra ist. Und so weiter. Es funktioniert. Es wird so professionell umgesetzt, dass es verständlich ist. Das ist vor allem Simmerings Stimmtalent zu verdanken. Bravourös spricht sie die verschiedenen Charaktere. Mit der für jede Figur spezifischen Tonlage und Sprechart schafft sie es, diese selbst in Abwesenheit bildlich werden zu lassen.
Allein lässt sie die Geschichte der Geierwally lebendig werden, die sich dem Wunsch ihres Vaterswidersetzt, den reichen Bauern Vinzenz zu heiraten und stattdessen dem gut gebauten Bärenjosef hinterherschmachtet. Der aber scheint vergeben – an Afra, die allerdings sein uneheliches Kind ist.
Dabei unterstützen auch die intelligent eingesetzten Requisiten von Franziska Smolarek die Fantasie der Zuschauer. Eine Hand etwa, die hinter dem Rollstuhlhervorkommt, als Wallys Vater sie zum Gehorsam ermahnt – gerade hat er sie dem unsympathischen Bauern Vinzenz versprochen, um die beiden Höfe zu „fusionieren“. Der Bauer wird auf der Bühne von einemschweren, grauen Wollmantel mit Hut dargestellt. Der Einsatz von Blitzlicht lässt den Kampf zwischen Wally und Vinzenz, bei dem Wally den Mantel heftigst schüttelt, aus der Zuschauersicht als Zweikampferscheinen, der für den Bauern Vinzenz kein gutes Ende nimmt. Bravourös erweckt Simmering auch die Handfigur des Geiers Hanserl zum Leben. Selten entsteht der Eindruck, Wally sei allein.
Schauspielerisch ist sie das. Musikalisch begleitet Markus Höller sie – vor allem am Klavier, ab und an auch stimmlich. Ganz zu Beginn des Stücks trägt die schwarz verschleierte Wally ihren Geier Hanserl zu Grabe. Was zunächst aussieht wie eine Rahmenhandlung, ist die Vorlage für die Erzählerin, mit dem Publikum Kontakt aufzunehmen.
Im Hintergrund des angedeuteten Bilderrahmens, der Simmering als Bühne dient, ist eine Berglandschaft projiziert. Die Alpen und das Ötztal – die Heimat der Geierwally, die Schriftstellerin Wilhelmine von Hillern 1836 in ihrem gleichnamigen Roman erschuf. Schon bald aber wird die Struktur klar, bei der sich die Erzählerin Simmering mit der Geierwally und den von Simmering gespielten Szenen abwechselt. In denen sie sehr überzeugend singt und jodelt. Auch die Form des Sprechgesangs nutzt sie; häufig um die gerade heraufbeschworene romantische, verträumte oder traurige Stimmung auf der Stelle selbst zu parodieren.
Claudia Isabel Rittel, Frankfurter Rundschau, 25.06.2012
Alpen-Musical startet bei Bad Vilbeler Burgfestspielen - Anne Simmering und Markus Höller bringen Gäste zum Lachen
Bad Vilbel. Wie das im Leben oft so geht, geht es mal bergauf und mal bergab. Das gilt besonders für Menschen, die in den Bergen wohnen. Wie die Geierwally zum Beispiel. Das zünftige Madl aus der felsigen Hochregion im Herzen Europas ist da in einer ziemlich verzwickten Situation. Soll sie den reichen Vinzenz heiraten - so wie es ihr Vater bestimmt hat? Oder soll sie doch ihrem Herzen folgen - und den armen Bären-Josef ehelichen? Ehe diese Frage beantwortet ist, hat sie so einiges an Höhen und Tiefenerlebt. Wie amüsant diese Reise durch das Leben einer der wohlbekanntesten Traditionsfiguren der deutschen Heimatliteraturlandschaft sein kann, das zeigten Anne Simmering und Markus Höller.
Als schräges Alpen-Musical mit viel Humor und ganz wenig Angst vor Unverschämtheiten präsentierte sich ihre Persiflage des deutschen Heimatromans beziehungsweise -films. Anne Simmering sang und lachte, schrie und verzweifelte gleich in drei Rollen - der bärbeißigen Geierwally, dem Bären-Josef und dem Erbschleicher-Vinzenz -, während Markus Höller in Lederhosen am Klavier seiner quirligen Kollegin hinterher galoppierte.
Als rasende Femme Fatale zeigte sie sich in der Rolle der Geierwally oft, die der Geschichte nach als eigenwilliges Mannsweib aus der Rolle der braven Bauerntochter fällt- und damit die Idylle ihrer Alpenwelt ziemlich arg in Mitleidenschaft zieht. Als Mut-Probe traute sich Wally, eigentlich Walburga Strominger, einst als einzige aus ihrem Dorf - die Männerlehnten offenbar alle dankend ab - ein Geierküken aus einem Nest zu stehlen, den sie Hans!" nennt und der sie fortan auf Schritt und Tritt begleitete und von oben die Abenteuer seiner neuen Ziehmutterverfolgte.
Die Berge bergen einige Gefahren und Probleme, so stellte sich schnell heraus. Schon tauchen die Scheinwerfer die kleine Bühne des Gewölbekellers in dunkelblaues Licht, denn Anne Simmering hob zum klagenden Monolog an, weil die Geierwally aus Eifersucht auf eine vermeintliche Liebeskonkurrentin Vinzenz aufgetragen hatte, den vermeintlich anderweitig vergebenen Bären-Josef um die Ecke zu bringen.
Anecken, das kann die Geierwally ziemlich gut. Und das konnten Anne Simmering und Markus Höller mit ihrer kernigen Alpenkomödie erst recht. Nachdem die reuige Auftragsmörderin zunächst den Chart-Hit von Britney Spears "Oops I did it again" zum Besten gab und den Text damit um einen völlig neuen Beiklang bereichert hatte, löste sich hinter der Bühnenfassade die Hand Gottes, wie von Michelangelos Fresko „Die Erschaffung Adams", und eine tönende weibliche Stimme aus dem Off verlautbarte als Strafe 698 Stoßgebete. Die Gäste lachten oft lauthals über solche gelungenen humoristischen Rundumschlage, die von der Bühne manchmal im Minutentakt auf sie einprasselten.
jojo, Frankfurter Neue Presse, 02.07.2013